Du bist kein Objekt!
Eine etwas andere Betrachtung zur wahren Selbstfindung, Selfnesstraining und der Quelle des Burnout-Syndroms.
Grundsätzliche Übereinstimmung herrscht sowohl bei den Forschenden wie auch bei den Leidenden: Man erlebt ein Ungleichgewicht zwischen übermäßigen Anforderungen und dafür fehlenden Ressourcen. Doch was ist der Ur-Grund für einen Menschen sich diese übermäßigen Beanspruchungen aufzuerlegen? Ist das ein rein fremdbestimmter Akt? Und welche Instanz in uns treibt uns an, diese Anforderungen erfüllen zu wollen?
Subjekt oder Objekt?
Im herkömmlichen so genannten „normalen“ Bewusstseinszustand erlebt der Mensch sich mehr als Objekt, denn als das was er unweigerlich ist, das Subjekt.
Wir erleben uns als das, was wir uns über uns vorstellen, und nicht als denjenigen der die Quelle dieser Vorstellungserzeugung ist. Unsere gedankliche Vorstellung über uns selbst – also das Objekt „Ich“ – wird durch unsere eigene Sichtweise von uns selbst, aber auch von übernommenen Sichtweisen anderer über uns, erzeugt und aufrechterhalten. Dieses Objekt „Ich“ wird dann permanent mit dem Idealbild, welches wir von uns haben, verglichen und versucht auf dieses Level anzuheben.
Nicht verwunderlich, da wir doch überall lernen erst als etwas zu gelten, nach Erfüllung von Normen und Idealen. Wird das mit übertriebenem Perfektionismus betrieben, ist die Basis für ein „Ausbrennen“ gelegt. Das Tragische daran: Dieses objekthafte „Ich“ ist nur virtuell, erscheint uns aber als real, so real, dass wir es verteidigen, beschützen, rechtfertigen und traurig sind, wenn es jemand beleidigt.
Doch wer sind wir jetzt wirklich? Ist es ein vorgestelltes, durch Gedanken aufrechterhaltenes Objekt? Oder ist es das lebendige Subjekt in uns? Die Quelle in uns, die es möglich macht, überhaupt ein Objekt von uns gedanklich zu erzeugen?
Es gibt nicht zwei von dir
Wird dieses objekthafte „Ich“ als real angesehen, scheint es in einer Person zwei „Ichs“ zu geben. Das Subjekt, das die Vorstellung vom Objekt „Ich“ möglich macht und eben das gedanklich erzeugte Objekt von mir. Sätze wie: „Da war ICH nicht ICH selbst“, oder: „Ich möchte mICH finden“, zeigen wie sehr wir entZWEIt und an der Perfektionierung unseres Objekts „Ich“ interessiert sind.
Diese ZWEIgeteiltheit in uns führt bei gesteigertem Ausmaß zur VerZWEIflung. Dieser Mechanismus verbraucht viel Energie, deshalb werden die Ressourcen knapp. Auf der anderen Seite benötigt das Perfektionieren unseres gedanklich erzeugten Objekts „Ich“ immens viel Energie, muss es doch permanent durch tolle Leistungen und deren Anerkennung von außen, genährt und vervollständigt werden und auch gegen Angriffe verteidigt werden.
Lebe dein Leben nicht als Mittel zum Zweck
Durch dieses permanente Perfektionieren der Vorstellung über uns, wird unser Handeln auf weiten Strecken zu einem Mittel zum Zweck. Wir erledigen die Dinge, um daraus einen Nutzen zu ziehen, um unser vorgestelltes Selbstbild zu perfektionieren und nicht der Sache wegen selbst:
Nur allzu oft erledigen wir die Aufgaben, die uns gestellt werden, um später befördert zu werden. und um die Wunschvorstellung von einem Eigenheim mit Garten und Pool zu realisieren, aus der wir uns wiederum versprechen, dass sie uns glücklich macht, und daraus versprechen wir uns Qualitäten wie Ansehen oder innere Ruhe.
Oder wir gehen ins Fitnessstudio um unser Konzept von Schönheit zu verfolgen, aus dem wir uns Lebensfreude und Anerkennung versprechen, die dann wiederum unser gedanklich erzeugtes Objekt „Ich“ vervollständigen sollen.
Unsere wahre Natur
Ist es dann soweit, dass das Ungleichgewicht in unserem Energiehaushalt kaum mehr zu verleugnen ist, versuchen wir diese innere Leere entweder mit Überreaktionen zu kompensieren, oder wir versuchen mit Entspannungsmethoden wieder einen ausgeglichenen Energiehaushalt herzustellen. Dies ist wunderbar. Dieses Steady State währt jedoch nicht lange, wenn in der Grundstruktur – in der grundlegenden Auffassung über meine wahre Natur – nichts geändert wird.
Meine wahre Natur ist das lebendige Subjekt, das die Grundlage für ein Erleben im Hier & Jetzt darstellt. Aus diesem Erleben des Momentes heraus, wird ein Objekt gedanklich erzeugt, das als „Ich“ interpretiert wird und in die Vergangenheit und Zukunft projiziert wird. Nehme ich mich im wahrsten Sinne des Wortes selbst zu wichtig, kann dieser Kampf um ein perfektes Objekt „Ich“ zum Nährboden für Burnout werden.
Burnout-Killer
Dadurch werden die meisten Handlungen des Lebens nicht mehr der Sache selbst wegen getan, sondern als Mittel zum Zweck, da mit jeder Handlung das Objekt „Ich“ bedient und perfektioniert werden muss. Doch hier läge der Ausweg:
Im vollen Aufgehen (des Objekts „Ich“) in einer Handlung, ohne jegliche Erwartung und Nutzen ist jede Handlung ein „Burnout-Killer“. Da mich die volle Hingabe an eine Sache ins absolute Hier & Jetzt bringt, und dort nur das Subjekt „Ich“ existieren kann, tankt man hierbei Energie.
Alles was ich im Leben mit voller Freude, vielleicht sogar mit Enthusiasmus (der im Gegensatz zum Perfektionismus nicht einer Wertung unterliegt) mache, ist mir ohne in Aussichtstellen eines späteren Nutzens schon absolut ausreichend, da ich – vermutlich – die Handlung selbst liebe. Das ist wahre Selbsterfüllung – und das ist der Feind des Burnouts.
Gehe in die Natur und tu was du willst,
denn Fauna und Flora tragen ihres dazu bei. Da es in der Tier- und Pflanzenwelt scheinbar kein vorgestelltes Objekt „Ich“ gibt und sich dieses Bewusstsein anscheinend auch überträgt, ist das Beobachten und Interagieren mit Tieren und Pflanzen ein großartiges Geschenk.
Harald Pachner
Geschäftsführer und Ausbildungsleiter am GESU-Institut für “Dipl. MentaltrainerIn”
Ehemaliger ÖSV-Nationalkaderläufer
Jun. Vize-Weltmeister im Super-G
Staatl. geprüfter ÖSV C-Trainer Ski Alpin